Solange die neue Regierung nicht offiziell im Amt ist, arbeitet der Bundestag nach alter Zusammensetzung. Beim Thema Schuldenbremse braucht Merz eine Zwei-Drittel-Mehrheit, weil die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert ist und Grundgesetzänderungen im Bundestag nur mit Zwei-Drittel-Mehrheiten durchgesetzt werden können.
Im alten Bundestag haben SPD, Grüne und Union eine Mehrheit, im neuen nicht. Theoretisch können die sogar noch die FDP mit in die Beratungen einbeziehen (die im neuen fehlen werden); was sie nicht tun, da die FDP ausgesprochen dagegen ist, die Schuldenbremse in irgendeiner Art zu umgehen oder aufzuweichen.
Es kommt allerdings noch ein Problem dazu, denn Merz braucht ja nicht nur eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag -egal ob nach alter oder nach neuer Zusammensetzung-, sondern auch im Bundesrat. Dort wiederum sitzen nicht nur Vertreter der üblichen Verdächtigen, sondern auch Vertreter von FDP, Freie Wähler und auch des BSW. Für Bayern sitzen Vertreter der CSU (plus die erwähnten Freien Wähler) im Bundesrat. Die verschiedenen Vertreter der jeweiligen Bundesländer sind nicht alle zwingend eins bei verschiedenen Themen (außer die von AfD und FDP, die lehnen das alle ab, was Merz vor hat). Im Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit zu bekommen könnte noch einmal ein ganz besonderer Affentanz werden.
Und natürlich zeigen jetzt schon alle auf Merz und seine Union. Man hätte ihm zwar schon vor der Wahl zuhören können, dann kämen seine Pläne jetzt nicht unbedingt als große Überraschung, aber trotzdem hat die Union im Großen und Ganzen einen Wir-halten-an-der-Schuldenbremse-fest-Wahlkampf gefahren.
SPD und Grüne würden sich z.B. um genau 0% verbiegen, würden diese Sondervermögen tatsächlich kommen; die haben das nämlich schon vor der Wahl angekündigt. Das stand sogar in deren Wahlprogrammen drin, dass die Schuldenbremse aufgeweicht gehöre und entsprechende Sondervermögen bereit gestellt werden sollten für eine Aufrüstung und eine Unterstützung der Ukraine.
Die AfD und FDP waren ganz klar dagegen, haben das in ihre Wahlprogramme reingeschrieben und haben den Kurs auch während des Wahlkampfes konsequent gehalten.
Die Linke möchte eine komplette Abschaffung der Schuldenbremse. Die gaben sich zwar vor der Wahl eher "pazifistisch" und Anti-Aufrüstung und haben sich eher gegen Waffen für die Ukraine ausgesprochen, aber wenn die umfallen, tut das denen nicht weh, weil die allgemein von der Anti-AfD- bzw. Anti-Rechts-Haltung in der Bevölkerung profitieren und davon, dass SPD und Grüne nicht mehr Ernst zu nehmen sind beim Thema Gegen-Rechts - aus linker Perspektive, versteht sich.
Merz beweist aktuell, dass er direkt nach der Wahl schon umgefallen ist.
Aktuelle Umfragen zeigen das dann auch, in denen die Union verliert und surprise surprise die AfD und Die Linke profitieren.
Dazu scheint die Mehrheit eh mit dem Ausgang der Wahl unzufrieden zu sein. Was Merz aktuell betreibt belastet seine Union eher als die SPD. Der SPD bringt das nur nichts beim Wahlvolk, weil die SPD eh keiner mehr Ernst nimmt (außer in den allerrotesten Hochburgen (zB Hamburg), sofern die Linke dort nicht schon das Ruder übernommen hat (zB Berlin)). Union-Wähler sind eher bereit zur AfD zu wechseln als anders herum. Merz treibt gerade konservative Wähler in die Hände der AfD (während linke Wähler von der SPD und den Grünen zur Linkspartei abwandern). Die AfD ist dabei auch die Partei, die Nicht-Wähler am stärksten mobilisiert - und zwar konstant, von Wahl zu Wahl. Im Zweifelsfall verliert die Union auch an die FDP und holt die zurück in den Bundestag. Dadurch hätte die Union zwar einen angenehmeren Koalitionspartner, da sich FDP und Union in vielen Fragen sehr viel näher sind als Union/Grüne, Union/SPD; aber es wird, dank der AfD, nie wieder für eine schwarz-gelbe Regierung reichen. Genau so wie es, dank der AfD, nie wieder für eine reine rot-grüne Regierung reichen wird.
Abseits von einer großen Koalition sind die Zeiten einer Zwei-Parteien-Regierung auf Bundesebene vorbei. Drei-Parteien-Regierungen wiederum sind notorisch instabil und werden nicht stabiler werden.
Merz beweist nicht nur aktuell, dass er ein Umfaller ist, der bereit ist konservative/rechte Politik aufzugeben, sondern dass es ihm vor allem um ihm geht. Merz will ums Verrecken Kanzler werden. Das wird ihm zu 99% auch gelingen, aber damit macht er sich auch gegenüber der SPD erpressbar. Je erpressbarer er sich gegenüber der SPD macht, um so mehr wird er konservative/rechte Wähler verprellen. Je mehr konservative/rechte Wähler er verprellt, um so schlechter steht es um die Zukunft seiner Partei - und die hat schon massiv unter Merkel und ihren Alleingängen und Allüren gelitten. Ohne Merkel keine AfD und Merz wird die AfD nur stärker machen, während er sich selbst/seine Partei schwächt, was die nächste Regierung insgesamt schwächt.
In den letzten fünfzehn Jahren waren wir als Land sozio-kulturell schon in Weimar angekommen, jetzt sind wir es auch politisch endgültig, mit der AfD am ganz rechten Rand (aus einer Perspektive der Mitte) und der Linkspartei am linken Rand, während die Mitte (Union, SPD, Grüne, FDP) mehr und mehr zerrieben wird.
Langfristig steht die AfD besser da als die Linkspartei dank des Themas Migration. Sobald die Linkspartei auch nur irgendeine Verschärfung beim Thema Migration/Asyl mitmacht, wird sich ein Teil der Wähler abwenden. Nicht alle, aber eben ein Teil.
Die AfD kann bei dem Thema nur gewinnen, weil sie seit je eher strikt ihren Kurs durchzieht und an ihren Standpunkten festhält. Das macht die AfD zur einzig glaubwürdigen Partei bei diesem Thema und das Thema Migration ist nun einmal eines der wichtigsten Themen unserer Zeit.
Das Land spaltet sich mehr und mehr während die Mitte instabiler wird; das war die Weimarer-Republik und das kriegen wir jetzt. Die neue Regierung geht schon massiv vorbelastet an den Start, bevor sie überhaupt offiziell existiert und dafür zeigen alle mit dem Finger auf Merz. Zu Recht.
Und jetzt haben wir noch nicht einmal das rechtliche Fass und entsprechende Klagen, die kommen könnten, aufgemacht. Denn am Ende des Tages, irgendwann, könnte das Bundesverfassungsgericht alles kippen, was Merz und die SPD aktuell auskaspern und evtl. umgesetzt kriegen. Dann kann es noch einmal richtig wild. werden. Vielleicht.