Ich bin mal ehrlich: Ich würde gerne sagen, dass mich der Dicke nie mett machen würde. Aber dafür bin ich nicht abgeklärt genug oder zu impulsiv, zu emotional, zu dumm, manchmal einfach zu schlecht gelaunt, weil ich manchmal zu oft über irgendeinen trivialen Scheißdreck zu intensiv nachdenke, weil meine Psyche selbst nicht ganz rund läuft oder wasauchimmer.
Ich habe mir jetzt den Podcast nicht angehört, weil so dumm bin ich dann doch wieder nicht. Aber ich kann mir schon vorstellen, was er da sinngemäß von sich gegeben hat. Seine Schallplatten sind ja bekannt.
Wenn er das so wie im Zitat gesagt hat, dann bin ich sogar dazu bereit, ihm da zu zustimmen. Natürlich nicht pauschal. Weil die Realität nun mal nicht pauschal ist. Da draußen rennen genug Leute rum, die mit so einer Summe am Monatsanfang bestimmt Probleme haben, über die Runde zu kommen. Je nach dem wo sie leben wird die Miete einen ordentlichen Batzen fressen. Irgendwie müssen die Leute zur Arbeit kommen und wieder nach Hause. Nicht überall gibt es ein derart gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz wie in manchen Großstädten. Dann bleibt einem nur ein eigenes Auto. Oder der ÖPNV kostet ordentlich. Zu oft muss mit dem Geld ja nicht nur der Broterwerber ernährt werden, sondern vermutlich auch noch eine andere Person. Und jetzt leben wir in einer Phase, in der Preise für Lebensmittel und andere lebenswichtige Dinge explodieren. Irgendwo drücken vielleicht noch irgendwelche Schulden. Yadda yadda yadda, jeder kennt es vermutlich selbst, weil er mal so eine Phase hatte, in der durch Arbeit nicht genug Geld rein kam oder befindet sich gerade in so einer Phase oder kennt solche Geschichten von anderen Leuten aus seinem Umfeld.
Dass Fass, wie absurd es eigentlich ist, dass wir in einer reichen Industrienation leben, einer der führenden Industrienationen auf diesem Planeten, in der man verhältnismäßig einem Großteil der restlichen Menschheit gegenüber, ziemlich gut lebt und ziemlich gut verdient, mache ich jetzt mal nicht auf. Kapitalismuskritik gibt's vielleicht ein anderes Mal.
Sein Gejammer über zu wenig Geld ist nicht neu. Deshalb nehmen wir mal folgendes Szenario, wie man es aus der Vergangenheit im Game kennt:
Nehmen wir Reiner Winkler, der noch in seiner Schanze sitzt. Irgendwie hat er es geschafft, im Monat über YouTube 2000€ netto zu erwirtschaften. Er muss keine Miete bezahlen. Er bewegt sich seit Jahren nicht vor die Tür oder das Grundstück. Lebensmittel lässt er sich liefern. Geben wir ihm, dass es wirklich schwierig für ihn, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen und nicht irgendwie belästigt zu werden. Er hat also im Grunde keine Kosten für ein Kfz. Das Einzige, dass er bezahlen muss, sind Nebenkosten und Nahrung - und theoretisch hat er einen gigantischen Schuldenberg ab zu bezahlen, auf den er aber in der Praxis einfach einen Haufen nach dem anderen drauf scheißt.
Er muss also nur irgendwie seine Nebenkosten decken und nicht verhungern. Mit 2000€ netto. im Monat
Wir wissen alle, was er mit so einer Aussage wie der obigen meint. Wenn Reiner meint, man würde heutzutage mit Pi mal Daumen 2000€ kaum zu rech kommen, dann meint er, er kann damit nicht zu recht kommen. Weil er absolut grenzen-, hemmungs- und schamlos ist. In seinem Kopf hat er einen Anspruch darauf, jeden Tag hunderte von Euro für jeden unnützen Dreck und jeden Müllfraß raus zu blasen. Ohne dafür etwas leisten zu müssen. Er, der lediglich die Soll-Schulzeit erfüllt hat. Auf einer Sonderschule. Ohne irgendeinen Abschluss. Ohne irgendeine abgeschlossene Berufsausbildung danach. Der sich einige, wenige Jahre mehr schlecht als recht in der freien Wirtschaft durch gemogelt hat und meint, dass sei für ein ganzes Leben genug.
Vor vielen, vielen Jahren musste ich mal 6 Monate überbrücken. Ich hatte den einen Job gekündigt und einen neuen schon sicher, konnte da aber erst in 6 Monaten anfangen. ALG1 wollte ich nicht beziehen. Also hatte ich mir einen LowLife-Job im Bereich Kundenservice organisiert. Leuten mit ihren beknackten Konusm-Verträgen helfen. Scheiß Kunden, schlecht bezahlt, Scheißfirma, Scheißjob. Dort hatte ich einen 1-Jahres-Vertrag bekommen mit 6 Monaten Probezeit (relativer Standard in der Branche), was perfekt gepasst hat, da ich so selbst nach 6 Monaten einfach wieder ohne großen Aufwand abdampfen konnte.
In dem Job habe ich einen Typen kennen gelernt und wir wurden ziemlich schnell Kumpels und über die Jahre beste Freunde. Als ich ihn kennen lernte, musste er sich mehrmals die Woche einer Dialyse unterziehen, weil ihm eine Niere fehlte. Gleichzeitig befand er sich auf der Warteliste für eine neue Niere, da die Dialyse schon zu lange ging und irgendwann, wenn man sich den Scheiß zu lange geben muss, besteht die Gefahr, dass die 2. Niere auch abkackt. Kurz bevor er endlich eine neue Niere bekommen hätte sollen, ist seine 2. Niere abgekackt. Sie ist nicht nur abgekackt, bei ihm wurde auch Krebs diagnostiziert. In der 2. Niere hatte sich ein bösartiger Tumor gebildet, der nicht entdeckt wurde und gestreut hatte. Das kam erst raus, als ihm die 2. Niere entnommen werden sollte. Er unterzog sich der Krebs-Behandlung und einer OP und war endlich frei von Krebs und bereit für eine Nierentransplantation, als er einen Herzinfarkt bekam. Den hat er überlebt, ging in Reha und war dann irgendwann wieder fit - und der Krebs kam zurück. Diesmal schlimmer als davor. Diesmal war es Lungenkrebs und der hatte wiederum schon ins Hirn gestreut. Also ging die ganze Chemo- und Bestrahlungsscheiße wieder los. Die Scheiße hat seinen Körper so massiv zerfickt, dass seine Knochen weich wurden. In seinem Zustand stolperte er dann mal und brach sich dabei einen Fuß. Weil sein Körper durch die ganze Scheiße so zerfickt war und seine Knochen weich wie Butter waren, heilte der Bruch nicht und entzündete sich. Deshalb war er dann auf einen Rollstuhl angewiesen.
Während all der ganzen Scheiße, die er durch machen musste, hat er trotzdem wann immer es ging noch gearbeitet. Weil er es auch musste, da ihn unser Sozialsystem ziemlich hängen hat lassen. Wegen der ganzen Behandlungsscheiße mit seiner Niere war Kundenservice für ihn optimal, da er da quasi nur rum sitzen musste, was seinen Körper nicht belastete und Spät- bzw. Nachtschichten arbeiten konnte. Dazu kommt aber auch, dass ihn einfach keine andere Firma genommen hat. Kundenservice ist eine Drecksbranche. Die stellen keine allzu hohen Ansprüche ans Menschenmaterial. Er hat sich 40h die Woche abgemüht, um am Monatsende auf etwa 1.300€ Netto zu kommen.
Letztes Jahr starb er dann. Seit die Corona-Kacke los ging, hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Wegen der ganzen Bestimmungen durfte ich ihn nie besuchen und ich durfte auch nicht zu seiner Beerdigung. Wenn es doch mal ein kurzes Fenster gab, in dem wir uns hätten treffen können, ging es bei mir nicht wegen Job oder bei ihm nicht, weil es ihm zu beschissen ging. Er war immer höflich, zu jedem, und wollte nie irgendjemandem etwas Schlechtes. Er hatte nie viel und war trotzdem immer bereit zu geben. Er war für jeden da. Wenn er helfen konnte, half er. Er hatte einen sehr trockenen und unheimlich lustigen Humor. Er war unheimlich belesen und intelligent und man konnte mit ihm tolle Gespräche über Gott und die Welt führen. Er war so ziemlich der beste Mensch, den man sich vorstellen konnte.
Und dann ist da Reiner Winkler. Ein durch und durch egoistisches, rücksichtsloses, verlogenes, faules, wehleidiges, verwöhntes, verzogenes Arschloch, der alles und jeden versucht für seinen eigenen Vorteil zu manipulieren und auszunutzen und der Empathie vermutlich für irgendetwas Essbares hält.
Manchmal macht mich diese vollgeschissene Menschenhaut wirklich mett.
Aber dann fällt mir jedes Mal zum Glück wieder die Sache mit seinen rot-lackierten Felgen ein.